Die Liebe in den Zeiten des Krieges – ein Paradox? Wird es einen Frieden geben können ohne Liebe? Was verbindet Menschen innig, was trennt sie abgrundtief?
Schöne Literatur kann keine einfachen Antworten geben. Im Sinne der beiden Autor:innen Julia Kissina und Alexej Schipenko ist die Welt durchaus eine Bühne absurden Theaters. Ein Theater der Lebenden, das Lust und Schmerz kennt – und auslebt. Die menschlichen Tragödien sind in der Überzahl. Was können Literatur und Theater, Film und Performance ausrichten? Oder bedeutet es einfach, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten? Bei dem Dramatiker Heiner Müller heißt es in einem seiner Stücke: „Wenn die Lebenden nicht mehr kämpfen, werden die Toten kämpfen.“ Jegliche Kunst, die wahrhaftig ist, kann schreien, weinen und lachen.
Nach den Worten von Alexej Schipenko ermöglicht die Erfahrung einem Schriftsteller, die Identitäten zu wechseln. In seinen Werken erzählt der Autor, wie ein Mensch sich von der westlichen Zivilisation lossagen könnte – um wohin zu gelangen? Nach seinen Worten würde man hier im Westen einer offenen Erzählung über die menschliche Seele nur mit Skepsis und auch Zynismus begegnen.
Julia Kissina zählt zum Kreis der Moskauer Konzeptualisten und zu den Autorinnen der russischen Avantgarde-Literatur. Ihre Werke sind erfüllt von einem skurrilen Humor und scharfen Beobachtungen. Ein wichtiges Thema ihres Schaffens ist das »Unbehagen in der Kultur«. Kaum ein Text von ihr ist in eine konkrete Landschaft eingebettet. Viele ihrer Romane spielen in einem abstrusen Jenseits. Politik wird, wenn überhaupt, nur am Rande gestreift.
Moderation: Dmitri Dragilew, Autor und Musiker.
Festival: »Das Minus-Schiff – Festival für Literatur in dystopischen Zeiten« I
Wie gestaltet man ein Festival der literarischen Zeitzeugenperspektive in Zeiten von Krieg, Klimakatastrophe und Pandemie? Die gesellschaftspolitischen Veränderungen der letzten Zeit, ihre Geschwindigkeit und Tragweite sind so heftig, dass wir aktuell wenig Raum für langfristige Analysen und Schlüsse, auch im Bereich der Literatur und Kunst erkennen. Stattdessen sehen wir die Möglichkeit für eine Reflektion zu den aktuellen Geschehnissen aus einer Zeitzeugen- und geschichtlichen Perspektive. Autor:innen sind nicht nur Zeitzeug:innen sondern auch biographische Geschichtenerzähler:innen, die den Lauf der Veränderungen wahrnehmen und ihre Erfahrungen, ihr Lebenswissen mittels ihrer Werke und ihrer Stimme dem literarisch interessierten Publikum präsentieren. Eine Zeitzeugenperspektive kann den Status Quo thematisieren, den Augenblick abbilden, die Symptome, die Verhältnisse aufdecken. Es geht dabei um den Veränderungsanspruch von Literatur auf der einen Seite und die Fragestellung: Wie weitermachen? Beim »Das Minus-Schiff – Festival für Literatur in dystopischen Zeiten« kommen Autor:innen aus Deutschland, Russland und der Ukraine zusammen, die in literarischen Begegnungen mit ihren Gesprächspartnern ihre Texte vorstellen und sich zu einem gemeinsamen thematischen Schwerpunkt austauschen.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem VFSV e.V., SLoG e.V. und auslandSPRACHEN, großzügig gefördert von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa